Ehemalige Grenzschützer wanderten an der einst tödlichen Grenze im nördlichen Harzvorland


Nach zweijähriger Coronapause führten kürzlich Ex-Grenzschützer mit Gästen eine Wanderung an der ehemaligen innerdeutschen Grenze durch.

Hierbei tauschten sie Erinnerungen über ihre ehemalige Wirkungsstätte aus. Diesmal im nördlichen Harzvorland von der Hofstelle 12 im Goslarer Ortsteil Wennerode zunächst in nördliche Richtung zum Suderoder Park und Hausberg, danach durch die Grenzorte Wülperode und Göddeckenrode zum Parkplatz Hasenwinkelgrund am kleinen Fallstein bei Hornburg.

An der Grenzwanderung hat auch Rudi Schimko teilgenommen, der mit drei weiteren Schulkameraden aus Wasserleben im Alter von 14 Jahren am 30. Mai 1964 bei Dunkelheit die innerdeutsche Grenze zwischen Stapelburg und Abbenrode in Todesangst, aber unverletzt, überschritten hat. Die Schüler wurden von einer Streife des Zollgrenzdienstes der Grenzaufsichtsstelle Eckertal aufgegriffen und dem Bundesgrenzschutz in Goslar übergeben.

Die Wanderung erfolgte überwiegend auf dem mit Betonplatten ausgelegten Kolonnenweg der DDR-Grenztruppen. Für den Grenzabschnitt der Wanderung waren für die Grenzsicherung auf der DDR-Seite die Grenzkompanien Wülperode, Göddeckenrode und Rhoden zuständig.

Die Organisatoren Wolfgang Roehl und Lothar Engler von den BGS-Abteilungen Braunschweig und Goslar schilderten an entsprechenden Orten der Wanderstrecke eindrucksvoll mehrere Grenzvorkommnisse, die sich im jeweiligen Grenzabschnitt ereignet haben. Dabei zeigten sie der Wandergruppe große Fotoaufnahmen und Kartenausschnitte. Die Natur hat in den zurückliegenden 32 Jahren den von den DDR-Grenztruppen flach gehaltenen Grenzstreifen wieder zuwachsen lassen.

Grenzdenkmal Wiedelah/Wülperode

Auf dem an der Straße zwischen Wiedelah und Wülperode errichteten Grenzdenkmal befinden sich 60 Meter Grenzsperranlagen im Originalzustand. Außerdem wurden auf dem ehemaligen Grenzstreifen Informationstafeln und als Ersatz für die in der Nähe gestandene Grenzsäule Nr. 905 eine neue Grenzsäule aufgestellt. Die Finanzierung erfolgte durch verschiedene Sponsoren. Schülerinnen und Schüler des Fallstein-Gymnasiums in Osterwieck halten die Anlage in Ordnung.
Leider ist das Grenzdenkmal bereits mehrmals vom Vandalismus heimgesucht worden. Informationstafeln wurden beschädigt oder gestohlen. Erst kürzlich wurde das Nummernschild der Grenzsäule 905 abgerissen und die Beschriftung auf den Informationstafeln mit einem Filzstift beschmiert.

Bergung eines US-Jeeps vom DDR-Gebiet

Lothar Engler zeigt auf zwei Bildern die Bergung eines US-Sanitätsjeeps, der
am 22. September 1980 bei dichtem Nebel unweit des Grenzdenkmals von der Fahrbahn abgekommen ist und auf DDR-Gebiet landete. Ein Radlader des ehemaligen Kieswerks durfte ihn mit Genehmigung der DDR-Grenztruppen bergen.

Spektakuläre Flucht eines Raupenfahrers

Am 13. November 1973 fiel einer BGS-Streife auf, dass an der innerdeutschen Grenze, und zwar vor dem Metallgitterzaun gegenüber dem Wiedelaher Kiesteich, der Fahrer eines im Einsatz befindlichen Raupenfahrzeugs offensichtlich flüchten wollte.

Den beiden bewachenden Soldaten der DDR-Grenztruppen täuschte er einen Motorschaden vor, und ließ den Zündschlüssel durch eine Bodenöffnung fallen. In dem Moment, wo seine Bewacher nach dem Zündschlüssel suchten, nutze der 22-jährige Hans-Georg Kruse die Gelegenheit, blitzschnell über die Grenze in Richtung Kiesteich zu flüchten. Die Grenzsoldaten bemerkten das Szenario und richteten unverzüglich ihre Kalaschnikow-Maschinenpistolen auf den flüchtenden Raupenfahrer. Sie schossen aber nicht, da ihnen BGS-Beamte, u. a. Streifenführer Peter Puhle mit gezogener Pistole, gegenüberstanden.
Die spektakuläre Flucht ist unblutig gelungen, weil eine BGS-Streife zur richtigen Zeit am Tatort war.

Nach einer kurzen Frühstückspause in Wülperode wanderte die Gruppe auf dem ehemaligen Kolonnenweg (heute Harzer Grenzweg), teilweise am Eckergraben entlang, über Göddeckenrode zum Wanderziel.

Tagesabschluss im Heimatmuseum Abbenrode

Im Anschluss an die 13 Kilometer lange Wanderung wurden im Heimatmuseum bei Kaffee und selbstgebackenen Kuchen nette Gespräche geführt. Außerdem wurden in der ehemaligen HO-Gaststätte der Ausstellungsraum „Grenze“, in dem in einem Sandkasten der Grenzverlauf um Abbenrode dargestellt ist, sowie Original-Exponate und Grenzrelikte vom Bundesgrenzschutz, Zollgrenzdienst und von den DDR-Grenztruppen ausgestellt sind, und der Ausstellungsraum „Abbenröder Mühlen“, in dem sich unter anderem Modelle der Getreidemühle Wegert und Wassermühle Hinze befinden, besichtigt.

Text/Fotos: Helmut Gleuel