![Buchvorstellung](https://nordharz-portal.de/wp-content/uploads/2020/05/Lewer-Däle.jpg)
Lesung: Carola Bethge „Im Schatten des Kameldornbaums“
Lesebühne: „Im Schatten des Kameldornbaums“ mit Carola Bethge
1955. Im Januar bringt der Postbote Ilse Eikemeier im Flecken Lamspringe, Landkreis Hildesheim, einen außergewöhnlichen Brief. Seit seiner Trennung vor fünf Jahre hat ihr früherer Freund Jochen Bethge nichts mehr von sich hören lassen. Und nun schreibt er plötzlich. Aus Okosongomingo, einer Farm in Südwestafrika, dem heutigen Namibia. Sie antwortet. Und schon in seinem zweiten Brief steht: „Wenn du mich immer noch willst, kannst du jetzt kommen.“
„Von Lamspringe nach Afrika – das ist schon ein gewaltiger Sprung. Erst recht für eine junge Frau aus der deutschen Provinz der Fünfziger Jahre.“ 25 Jahre alt ist Ilse Eikemeier, als sie zu diesem Sprung ansetzt. Im November 1955 landet sie, nach 17 Tagen Seereise ab Rotterdam, im Hafen von Walfisch Bucht und steht Jochen „nach fünf Jahren wieder gegenüber. Mit wild klopfendem Herzen und ihren zwanzig Kisten Aussteuer“. Wenig später heiraten sie auf der Farm. 1957 wird ihre erste Tochter, Ute, geboren, 1959 folgt die zweite, Carola.
2010. Ilse Bethge stirbt mit 80 Jahren. Ihrer Tochter Carola hinterlässt sie einige Fotoalben, zwei Tagebücher, das Bündel mit den Briefen ihres Mannes und die Erlaubnis, die Familiengeschichte aufzuschreiben. Carola bricht auf. Eine lange Reise in Zeit und Raum liegt vor ihr. Sie führt sie weit in die Vergangenheit zurück, bis zum Gut ihrer Großeltern im heutigen Russland, nach Lamspringe und nach Okosongomingo, das die Eltern nach einem Bruch mit dem Farmbesitzer völlig überstürzt verlassen mussten. Nach Pfaffenheck an der Hunsrückhöhenstraße, den Ort ihrer Kindheit. In die Schweiz und in die Nähe von Tschernjachowsk, dem früheren Insterburg im ehemaligen Ostpreußen, wo ihr Vater als einziger Sohn und zukünftiger Erbe auf einem Gut aufgewachsen war. „Im Schatten des Kameldornbaums“ ist nicht nur die Geschichte ihrer Familie, es ist auch die Geschichte einer Spurensuche voller warmherziger Begegnungen, voller beglückender und schmerzlicher Erinnerungen.
Einfühlsam, geschickt und mit einer lebendigen, anschaulichen Sprache verwebt die Autorin die Schilde¬rung ihrer Reise mit den Rückblenden in ihre ebenso bewegte wie bewegende Familiengeschichte, die zugleich auch eine sehr deutsche Historie ist. Dabei gelingt es ihr auf besondere Art und Weise, aus den Spuren, die sie findet, schlüssig zu rekonstruieren, wie die Geschichte und die Menschen sie nicht nur geprägt haben, sondern wie sie durch ihren außergewöhnlichen Lebensweg zu der Person wurde, die sie heute ist.
Carola Bethge lebt seit 1999 als Studienrätin für die Fächer Musik und Englisch in Wolfenbüttel. Sie ist verheiratet und hat eine Tochter. „Im Schatten des Kameldornbaums“ ist ihr erstes Buch.