Jahrelanger unrechtmäßiger Betrieb eines Pestizidlagers

unrechtmäßiger Betrieb eines Pestizidlagers

Pestizidlager ohne vorschriftsmäßigen Schutzwall

BUND-Kritik an PLG GmbH und zuständigen Behörden – Pestizide werden umetikettiert – „Amazon der Pestizide“

Die Firma PLG mbH mit Hauptsitz in Baddeckenstadt unterhält seit 2016 ein Lager in Bad Harzburg. Zur Ansiedelung im Gewerbegebiet Bad Harzburg-Nord erhielt PLG eine Genehmigung des Gewerbeaufsichtsamtes Braunschweig für eine Lagerkapazität von 7.800 Tonnen für die Lagerung von Pestiziden und anderen Chemikalien, die nach speziellen Gefährdungsklassen eingeteilt sind. Damit handelt es sich um einen Störfallbetrieb der oberen Klasse. Schon damals kritisierte der BUND das Verfahren und forderte eine Umweltverträglichkeitsprüfung, was die Behörden jedoch ablehnten.

Es stellt sich die Frage, ob die Erstgenehmigung rechtmäßig erteilt wurde

Die Rolle der Firma, die vorwiegend Pestizide lagert, am Markt verglich der geschäftsführende Gesellschafter Udo Kolle in einem Magazin mit einem „Amazon der Pestizide“.

Obwohl das Störfallrecht einen angemessenen Sicherheitsabstand zu Schutzobjekten fordert, durfte sich PLG mit proaktiver Unterstützung der Stadt Bad Harzburg auf dem rund 5,6 Hektar großen Gelände ansiedeln. In der nahen Umgebung befinden sich:

– Die Kleintierarztpraxis und die Tierpension Pfotenland – 70 m Entfernung
– Die Rettungswache der KWB Goslar – 125 m Entfernung
– Der OBI-Baumarkt – 130 m Entfernung
– Das Gut Radau – 350 m Entfernung

Wie konnte das gelingen?

Die kommunalpolitischen und verwaltungsrechtlichen Winkelzüge, die gelaufen sind, um die Ansiedelung von PLG zu ermöglichen, wurden erst durch die Recherchen der Bürgerinitiative „Mit UNS für Harzburg“ bekannt. Die Bürgerinitiative hatte sich unter Beteiligung des BUND-Regionalverbandes Westharz gegründet, nachdem die Pläne, das Chemikalienlager in Bad Harzburg auf über 22.700 Tonnen Lagerkapazität fast zu verdreifachen, im Oktober 2019 veröffentlicht wurden:
• Nur ein einziges Störfallgutachten diente als Grundlage für alle verwaltungsrechtlichen Entscheidungen.
• Nur für das Betriebsgrundstück des Chemikalienlagers wurde der bestehende Bebauungsplan geändert.
• Zwischen der Fa. PLG und der Stadt Bad Harzburg wurde ein Städtebaulicher Vertrag geschlossen, um störfallrelevante Punkte in den textlichen Festsetzungen des Bebauungsplans zu vermeiden.
• Auf die Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung wurde von Anfang an durch das GAA Braunschweig konsequent verzichtet.

Schutzmaßnahme gegen Störfälle: Ein 4 – 5 m hoher Erdwall

Das von der Fa. PLG in Auftrag gegebene und bezahlte Störfallgutachten kam bei der Kalkulation verschiedener (eindimensionaler!) Störfallszenarien zu dem Schluss, dass die Tierarztpraxis und die Tierpension Pfotenland, die sich unmittelbar gegenüber PLG befinden, bei einem Störfall betroffen sein dürften. Daher wurde der Gutachter gebeten, sein Gutachten um die Empfehlung zur Errichtung eines 4 Meter hohen Erdwalls an der südlichen Grundstücksgrenze als Schutzmaßnahme zu ergänzen.

Dieses Gutachten diente dann als Grundlage für die notwendige Bebauungsplanänderung durch die Stadt Bad Harzburg sowie auch als Grundlage für die Erteilung der Erstgenehmigung nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz durch das Gewerbeaufsichtsamt Braunschweig. Zwischen PLG und der Stadt Bad Harzburg wurde ein Städtebaulicher Vertrag geschlossen, in dem die Errichtung eines 4 Meter hohen Erdwalls durch die Firma PLG vereinbart wurde. Die Errichtung eines 5 Meter hohen Erdwalls wurde letztlich als Auflage in die Betriebsgenehmigung des Gewerbeaufsichtsamtes Braunschweig aufgenommen.

Tatsächliche Wallhöhe von 1 – 2 Meter

Der Landkreis Goslar als Bauaufsichtsbehörde war dafür zuständig, die ordnungsgemäße Fertigstellung der baulichen Anlagen einschließlich der Außenanlagen abzunehmen. Bei der der geplanten Schlussabnahme im Dezember 2016 konnte jedoch nur ein Teilschlussabnahmeschein erteilt werden, da u.a. der Wall zu niedrig errichtet wurde. Die bauausführende Firma bestätigte eine tatsächliche Wallhöhe von 1 – 2 Metern – eine eklatante Abweichung von den Auflagen! Als Konsequenz untersagte der Landkreis Goslar der Fa. PLG, gefährliche Stoffe in einer störfallrechtlich relevanten Menge zu lagern, bis der Wall die vorschriftsmäßige Höhe erreicht hat.

Es ist ein Skandal, dass PLG sich bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht an diese Vorgabe gehalten und von Anfang an das Lager vollumfänglich betrieben hat

Damit hat es entgegen der Empfehlung des eigenen Gutachtens die Nachbarschaft gefährdet.

Das Schlimmste ist jedoch, dass das Gewerbeaufsichtsamt Braunschweig, das unterjährig gesetzlich vorgeschriebene Vor-Ort-Kontrollen bei PLG durchzuführen hat, die fehlende Umsetzung der eigenen Auflage ignoriert und derzeitig den Erweiterungsantrag von PLG prüft. Auch der Stadt Bad Harzburg ist es erstaunlicherweise nicht aufgefallen, dass der Wall an der südlichen Grundstücksgrenze seit gut 4 Jahren mehrere Meter zu niedrig ist. Oder sollte es nicht auffallen?

Hinzu kommt, dass die zuständigen Behörden im Schadensfall, d.h. bei einer Freisetzung von Chemikalien, nicht einmal genau wissen, welche Stoffe sich gerade im Lager befinden. Das Gewerbeaufsichtsamt Braunschweig zieht sich auf gesetzliche Vorgaben zurück, dass nur die Mengen je Gefährdungsklasse bekannt gegeben werden müssen.

Landwirtschaftskammer Hannover machte Kontrollen

In diesem Fall hat die Landwirtschaftskammer Hannover, die bei PLG Kontrollen der gelagerten Pestizide durchführt, einen Wissensvorsprung. Anhand deren Kontrollvermerke wurde bekannt, dass PLG die bei sich gelagerten Pestizide im Auftrag der Zulassungsinhaber umetikettiert. Das erschwert die Gefahreneinschätzung im Störfall zusätzlich.

In den über 100 Seiten langen Antragsunterlagen der Firma PLG für das Gewerbeaufsichtsamt Braunschweig war stets die Rede von einer Kommissionierung der Lagergüter als Serviceleistung für die jeweiligen Eigentümer. Auch bei dem Erörterungstermin ab dem 18.2.2020 war von einem Umetikettieren der Pestizide nie die Rede. Erstaunlicherweise gab das GAA Braunschweig bei unserer jüngsten Anfrage vor, Kenntnis von dieser Praxis bei PLG gehabt zu haben. Das ist wenig glaubwürdig.

Ironischerweise wird nun auf der gegenüberliegenden Gewerbefläche ein Bio-Lebensmittelbetrieb angesiedelt. Wer soll das noch nachvollziehen – und das alles in bzw. nahe der Kurstadt Bad Harzburg!

Text/Foto: BUND-Regionalverband Westharz
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