Angriff auf das Welterbe

Frontansicht des Entwurfs für das Kaiserpfalzquartiers. Computeranimation_ Nieto Sobejano.jpg


World Heritage Watch: Entwurf für das „Kaiserpfalzquartier“ in Goslar ist ein Angriff auf das Welterbe

Presseerklärung

Berlin, 3. April 2024

World Heritage Watch ruft die Bürgerinnen und Bürger der Stadt Goslar auf, beim Bürgerentscheid zum Kaiserpfalzquartier am 7. April bei der Frage: „Sind Sie beim Neubau der Veranstaltungshalle im Kaiserpfalzquartier gegen eine finanzielle Beteiligung der Stadt an den Baukosten?“ mit Ja zu stimmen und damit die finanzielle Beteiligung der Stadt Goslar an dem Projekt abzulehnen. Nur so könne die Diskussion über das Vorhaben, das die Stadt spalte, neu geführt und zu einem einvernehmlichen Ende gebracht werden.

„Der zur Diskussion stehende Entwurf des Büros Nieto Sobejano ist in stadtplanerischer, architektonischer und konzeptioneller Hinsicht verfehlt und eine Attacke auf das Welterbe“, erklärt Stephan Dömpke (69), Vorsitzender von World Heritage Watch.

„Wir fragen uns, wie er von einem Gremium befürwortet werden konnte, das mit Fachleuten für das Welterbe besetzt war. Hier sind die Maßstäbe völlig verloren gegangen.“ Das Grundstück dürfe wegen seiner enormen Bedeutung in der Umgebung der Kaiserpfalz auch nicht an private Investoren verkauft werden, sondern müsse im Eigentum der Stadt bleiben.

Angesichts des Leerstands von zwei Hotels in den ikonischsten Häusern des historischen Stadtkerns – dem Hotel Kaiserworth und dem Hotel Brusttuch – verbiete sich der Bau eines weiteren Hotels, das die Aussichten auf einen wirtschaftlichen Betrieb dieser Häuser zusätzlich in Frage stellen würde. Falls über diese Häuser hinaus Bedarf an zusätzlichen Betten entstehe, sollte die Stadt Konzepte für die mögliche touristische Nutzung anderer leerstehender Häuser in der Altstadt erarbeiten.

World Heritage Watch spricht sich für eine kulturelle Nutzung des Standortes aus, die nicht nur überwiegend auswärtigen (Konferenz-)Besuchern, sondern in erster Linie der Bevölkerung der Stadt Angebote macht. Dazu sollten ein Museum, Räumlichkeiten für größere und kleinere Ausstellungen sowie Veranstaltungssäle gehören, die sowohl für Konferenzen als auch für Konzerte geeignet sind und daher Platz für deutlich mehr als 500 Personen bieten müssen.

Die vorgeschlagene Allerweltsarchitektur mit Schießschartenfenstern und Flachdächern lehnt World Heritage Watch kategorisch ab.

Lageplan der Entwürfe für Kaiserpfalzquartier und Stiftsgarten. Grafik – nsp landschaftsarchitekten + stadtplaner

Im direkten Umfeld der Kaiserpfalz, der Domvorhalle und des Amtsgerichts dürfe eine Architektur, die sich gegen das historische Erbe verselbständigt, nicht geduldet werden. Vielmehr sei eine Architektur gefragt, die sich in dieses historische Erbe einfügt und dessen visuelle und ästhetische Integrität achtet und nicht beschädigt. Dafür sollte die Stadt zusammen mit Fachleuten und der Goslarer Bürgerschaft entsprechende Vorgaben erarbeiten.

World Heritage Watch stimmt dem Ziel einer Bodenentsiegelung und einer Freiluftnutzung („Stiftsgarten“) mit hoher Aufenthaltsqualität anstelle des heutigen Parkplatzes zu, durchaus auch mit einem gastronomischen Angebot wie z.B. einem Café mit Blick auf die Kaiserpfalz, das an diesem Ort bisher fehlt. Eine kreisförmige eingesenkte Fläche würde jedoch nicht wie vom Büro „nsp Landschaftsarchitekten Stadtplaner“ behauptet, auf die Fundamente des abgerissenen Doms an dieser Stelle hinweisen, sondern durch ihre Form jede Erinnerung daran überdecken. Deshalb müsse eine steinerne, als Sitzgelegenheit nutzbare Anordnung unbedingt den Grundriss des Doms nachzeichnen.

world-heritage-watch.org

Kontakt: Stephan Dömpke contact@world-heritage-watch.org

Gegendarstellung der Stadt Goslar vom 5.4.24

Aufruf der World Heritage Watch-Initiative für das Bürgerbegehren zu stimmen

Stellungnahme der Stadt Goslar

Goslar. Mit deutlichem Unverständnis nimmt die Stadt Goslar die Stellungnahme des Berliner Vereins World Heritage Watch e.V. zur Kenntnis, der die Entwicklung des KaiserPfalzQuartiers als „Attacke auf das Welterbe“ tituliert und Goslarer Bürgerinnen und Bürger aufruft, beim anstehenden Bürgerentscheid gegen die finanzielle Beteiligung der Stadt Goslar an der Stadthalle zu stimmen.

Insbesondere irritiert die in der Stellungnahme zitierte Aussage des Vereinsvorsitzenden Stephan Dömpke: „Wir fragen uns, wie er [der Architektenentwurf] von einem Gremium befürwortet werden konnte, das mit Fachleuten für das Welterbe besetzt war.“

Immerhin waren und sind neben dem Niedersächsischen Landesamt für Denkmalpflege (NLD), der Internationale Rat für Denkmalpflege (ICOMOS), die Beratungsorganisation der Organisation der Vereinten Nationen für Bildung, Wissenschaft und Kultur (UNESCO) gemäß der Welterbekonvention von 1972, und die UNESCO selbst in das Projekt involviert. Das NLD und ICOMOS entsenden seit Projektbeginn im Jahr 2014 Vertreter in die Lenkungsgruppe für die Projektentwicklung. Für den betreffenden Architekturwettbewerb war ICOMOS in der Funktion als Fachpreisrichter und die Präsidentin des Niedersächsischen Landesamtes für Denkmalpflege Frau Dr. Cristina Krafczyk als Sachverständige in der Preisgerichtsjury vertreten. Die UNESCO selbst wurde mittels detaillierter Projektvorstellung nach Abschluss des Wettbewerbs im Jahr 2020 eingebunden. Der Austausch mit den Verantwortlichen in Paris mündete in ein Schreiben der UNESCO vom November 2022, in dem ICOMOS International die Entscheidung der Stadt Goslar, das Gebiet der Kasernengebäude und den Parkplatz neu zu gestalten, begrüßt und klarstellt „dass das geplante Projekt “KaiserpfalzQuartier” innerhalb der Grenzen der “Historischen Altstadt Goslar” eine Aufwertung des derzeit mit gewöhnlicher Bebauung des 20. Jahrhunderts belegten Areals darstellt und seine Umsetzung daher keine erhebliche Beeinträchtigung der Integrität und Authentizität des Welterbes mit sich bringt”.

„Die Bescheinigung der UNESCO in Paris, dass wir mit der Entwicklung des KaiserPfalzQuartiers wie geschehen welterbekonform agieren, ist nicht nur eine Anerkennung der ausgesprochen guten und umsichtigen Arbeit aller Beteiligten über Jahre hinweg, sondern in erster Linie die für uns maßgebliche Bestätigung und Einschätzung mit unserer geplanten Entwicklung auf dem richtigen Weg zu sein.“, so Oberbürgermeisterin Urte Schwerdtner.

Der gesamte Planungs- und Beteiligungsprozess ist detailliert unter https://kaiserpfalzquartier.goslar.de/planungsprozess nachzulesen.