Grenzgeschichten und Grünes Band hautnah erleben

Grenzgeschichten

Wanderung am Grünen Band


Die Stiftung Umwelt, Natur- und Klimaschutz des Landes Sachsen-Anhalt (SUNK) hatten gemeinsam mit dem Grenzerkreis Abbenrode und dem Heimat-, Kultur- und Museumsverein Abbenrode e.V. zur Wanderung am Tag der Deutschen Einheit und ansässig des Jubiläumsjahres zum Nationalen Naturerbe (NNE) eingeladen.

Es ging vom ehemaligen Grenzübergang Stapelburg-Eckertal zum Heimatmuseum Abbenrode.

Auf den Spuren der ehemaligen innerdeutschen Grenze, vorbei an Grenzsäulen und weiteren Relikten, wurden über persönliche Erlebnisse und Grenzgeschichten, wie Fluchtversuche aus der DDR, berichtet. Gleichzeitig hatte die geführte Wanderung eine einzigartige Entdeckungstour durch die Tier- und Pflanzenwelt am Grünen Band Sachsen-Anhalt. Die Wanderung führte durch das Eckertal, das größtenteils Fauna-Flora-Habitat Gebiet (FFH) ist.

Franziska Bethge, Mitarbeiterin der SUNK, hatte über die naturschutzfachlichen Gegebenheiten vor Ort informiert. Neben dem Naturschutz stand vor allem auch die bedeutende Geschichte dieser Region im Mittelpunkt.

Treffpunkt war am Denkmal zur Mauereröffnung in Stapelburg am Mühlentor. Hier konnten Franziska Bethge, Lothar Engler und Andreas Weihe über 40 Teilnehmer begrüßen, die dann die etwa vier Kilometer nach Abbenrode wandern wollten.

Unter den Teilnehmern war auch Peter Bettzüge, er war am 21. Mai 1967 zusammen mit zwei Freunden an der Eckertalsperre in den Westen geflohen. Durch den BGS wurden alle drei nach Helmstedt gebracht, von dort ging es zum Notaufnahmelager nach Gießen, anschließend ging es nach Rastatt zum Landesaufnahmelager und zum Abschluss nach Heidenheim in eine Jugendherberge, wo jeder ein eigenes Zimmer erhielt. Alle drei waren vom Westen arg enttäuscht, sie waren erst 18 Jahre und haben einen Vormund vor die Nase gesetzt bekommen.

Nach einem Jahr im Westen bekam jeder eine Fahrkarte für die Heimfahrt in die DDR. Dort bekam er zehn Jahre Gefängnis auf Bewährung, er hatte in der DDR keine Nachteile, er lernte Elektriker und machte seinen Wehrdienst. Da er politisch vorbestraft war, erhielt seine Ehefrau kein Studium.
Er musste sich oft anhören lassen „Du bist bekloppt und kommst freiwillig zurück“. Er wurde öfters zur Stasi eingeladen, nach der Wende hat er seine Stasi Unterlagen eingesehen und war über das „Märchenbuch“ überrascht, das über ihn als US- Geheimagent geführt wurde.

Lothar Engler berichtete von seinen Erlebnissen der ersten Grenzöffnung ohne Absprache am 11. November 1989 in Stapelburg.

Um 11:40 Uhr berichtete der FFN, der „Krawallsender“, so in der DDR, dass die Grenze aufgemacht wurde. Zwei Anwohner aus Stapelburg haben dann den Zaun aufgeschraubt. Beide erhielten 10 Westmark geschenkt und gingen erst einmal in den Eckerkrug und tranken vier Bier für 9,60.

Über zwei Todesfälle berichtete Lothar Engler, so wurde auf dem Bahndamm am 10. Juni 1976 Walter Otto aus Bad Harzburg vom Grenzaufklärer Erwin Garwol erschossen. Otto war schon mehrmals von DDR-Grenzern wegen Grenzverletzung festgenommen und dann nach zwei Tagen wieder in den Westen ausgeliefert worden. Otto wurde mit mehreren Schüssen getötet.

Die Stasi wollte den Vorfall vertuschen und der Leichnam des unbekannten Toten wurde in Magdeburg in einem Park abgelegt. 1961 wurde der Fall von der Justiz aufgenommen, erst im Jahr 2000 kam es zur Verhandlung, erst dann wurde Garwol zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. In der Revision wurde es nicht als Mord, sondern als Totschlag gehandelt, dieser verjährt nach 20 Jahren.

Während der Wanderung berichtete der ehemalige BGS-Beamte Otto Deike aus Lochtum über seine Begegnung mit dem geflüchteten Bernd Schilk.

Zusammen mit einem Freund ist Schilk bei Abbenrode am 11. Oktober 1962 über die Grenze geflüchtet. Otto Deike hatte die Aufgabe, die beiden Flüchtlinge von der Polizei nach Helmstedt zur Grenzschutzstelle zu fahren. Obwohl es verboten war, musste erst einmal bei Onkel und Tante in Hornburg angehalten werden, um ihnen sagen zu können, dass er nun im Westen ist.

Der Lochtumer Rolf Siermann berichtete, dass er mit seinen Eltern in der Siedlung Altfeld wohnte. Am 30. Juli 1945 erschienen abends um 19:00 Uhr fünf Russen und ein Dolmetscher. Bis 22:00 Uhr mussten alle das Haus verlassen, sie übernachteten im Wald. In Lochtum fand er dann später im Forsthaus ein neues Zuhause. Die Häuser im Altfeld verfielen und wurden wahrscheinlich 1961 abgerissen.

Zum Abschluss ging es für alle in das Heimatmuseum nach Abbenrode zum Kaffeetrinken.

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